Mississippi

Mit der Staatsgrenze wird der Belag grenzwertig. Nach ein paar Meilen üblem Geholper lasse ich etwas Luft aus dem Federelement.

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Sonntag: Kirchen voll, Strassen leer.

Hügelig. Aber das Velo „rennt“ trotz leichtem Gegenwind wie verrückt.

Eine Abkürzung (in Distanz, nicht Zeit) ist wohl darum nicht in die offizielle Routenführung aufgenommen worden, weil 1mi Naturbelag zu fahren ist. Nach den Regenfällen nicht angenehm. Diese Aussicht macht allen Dreck wett:

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Einfach schön und absolut still

Ein paar Dinge fallen einem bei der Reiseplanung auf und so ein Erlebnis* ist heute in Reichweite. Dafür sind bis Sonnenuntergang in 3h aber 40mi Luftlinie zurückzulegen. Statt weiter den kleinen Strässchen zu folgen wechsle ich auf die Hauptachse – am Sonntag kein Problem.
*siehe Louisiana


Zuerst gehts für schliesslich kürzer als geplant nach Louisiana.

Auf „ungeplanter“ Route will ich heute den MRT, Mississippi River Trail, eine Veloroute, erreichen.
Die spontane Route führt mit einigen Zacken schön über Land. Und ein paar Hügel. 4500 Hft („Höhenfuss“) werden es auf dieser Überführungsetappe.

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Frühling! Nicht nur die Bäume, sondern auch Felder und Büsche blühen. Die Pollen lassen sich abends abklopfen.

Was richtig bremst, ist ein übel eigenartig festgefahrener Rollsplitt. Seine Holprigkeit sieht man ihm perfiderweise nicht an (nicht wie in der Türkei, wo Steine fehlen). Teilweise bremse ich mit 10 bergab. 50mi sind so.

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Der Schein eines "guten Belags" trügt gewaltig!

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Hügel 🙂

Wasser habe ich seit 1-2h keines mehr. Die bierdosenschwenkenden Gestalten vor dem Shop in Pattison machen die Entscheidung ohne mit der Wimper zu zucken einfach, auch die nächsten 7 mi noch mit trockener Kehle zurückzulegen.

Bis Sonnenuntergang würde ich keinen Ort mehr erreichen und vom Geholper tun die Füsse weh: Ungewöhnlich früh checke ich ins einzig geöffnete Motel/Inn ein – eine üble Absteige.

Sonne und Rückenwind sind vorausgesagt.
Der Tag beginnt so herrlich wie die Wetteraussichten. Auf dem „Natches Trail Parkway“ gibt es statt Verkehr schöne Landschaft. Schade, dass ich nichts vom Nationalparkcamping bei Meile 15 heute gewusst habe – das wäre viel schöner und ruhiger gewesen als das Motel gestern. Und erreichbar.

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Am Strassenrand des Scenic Highways. Von diesen gelben Blüten werde ich im Tagesverlauf noch einige auch unter der Wasseroberfläche sehen.

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Der "MRT" ist sogar ausgeschildert! So etwas habe ich in diesem Land nicht erwartet.
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Vicksburg an einem Frühlingsmorgen. Es riecht nach frisch geschnittenem Rasen.

Durch Vicksburg geht es auf kleinen (siehe Bild) und kleinsten Strässchen. Auch eine fiese Steigung, die auch im Hochgebirgsgang noch fies ist, fehlt nicht. Hier erreiche ich die Mississippi-Ebene – die Höhenmeter für heute sind „erledigt“.

Einer lebendigen Schlange rollen die Pneus nur Zentimeter entfernt vorbei. Ein Zoll war das nicht 😉 .

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Land unter! Beide Seiten des HIGHways stehen unter Wasser. Teilweise so tief, dass sich Strömung oder Wellen entwickeln können.

Zum teilweise grottigen Belag passt auch, dass ein Abschnitt komplett unbefestigt ist.

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Dafür ist das das falsche Velo

Beim nächsten Schild „Pavement Ends“ (Asphalt zu Ende) biege ich spontan ab und lande auf einem LOWway, dem ich so sage, weil er teilweise nur ganz knapp höher liegt als die Wasseroberfläche der Äcker ringsum – ein komisches Fahren. Der Belag ist nicht besser. Auf dem Abschnitt (vielleicht 6mi) sehe ich ca. 50 Hirsche, welche durch micj gestört ins überschwemmte Unterholz jagen. Sorry!

Bei teilweise sehr langsamer Geschwindigkeit brennt die Märzsonne so richtig auf die Oberschenkel.

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Mississippi-Ebene im Frühling - für einmal nur wenig überschwemmt.

Die letzten 40-50 mi stimmt die Reiserichtung oft mit der des Windes überein und der Tacho zeigt kaum unter „20“ an.
Der Plan, in Greenville einfach der Hauptachse statt dem MRT zu folgen und so eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden, geht auf. Budget Inn. Zum Glück habe ich die Online-Rezensionen vorher nicht gelesen (frisch gestrichenes und sauberes Zimmer für 39$ – fair).

Erstes Znacht: Chinesisch gleich nebenan.
Zweites Znacht: Corn Flakes – die mag ich am Morgen sowieso nicht alle.

Um drei Uhr früh gibt es auf dem Vorplatz etwas lautstark zu diskutieren, was vielleicht nicht bis Tagesanbruch hätte warten können?

Die nächsten fast 100mi sind topfeben mit kaum Verkehr. Weniger Flächen sind überschwemmt und die wenigen Dörfer sind in teilweise erbärmlichem Zustand. Das trifft auf die meisten Landmaschinen nicht zu.

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Die Besprühungsanlage hat "amerikanische" Dimensionen

Langweilig. Vielleicht habe ich dem MRT in der Vorbereitung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt – diese Eintönigkeit kommt überraschend.

Hie und da gucken ein paar Schildkröten aus dem Wasser (oder sonnen sich nebenan). Zwei „Umwege“, welche auf der Karte idyllisch aussehen, fahre ich nicht, nachdem ich mich beim Ersten etwas durchrütteln lasse – bevor ich zurückfahre.

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Ganz ohne furten geht dann doch nicht 😉

Das Nadelöhr des Tages ist auch gleich dessen Hauptsteigung und das Ende dieses Posts: Auf zerfahrener Betonholperpiste geht es hinauf auf die Mississippibrücke, von welcher aus ich den Fluss auch einmal richtig sehe.

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Glücklich, dass ich mich hier gerade nicht als Bremsklotz gefühlt habe und so auch ohne schlechtes Gewissen* ein Foto machen konnte. Ist die Tafel in der geringen Blogbildqualität lesbar?

*Mit Kamera in der Hand bin ich genau gleich schnell. Sieht dann aber von hinten sicher sehr provokativ aus bei beinahe Schrittgeschwindigkeit – das tue ich niemandem an!

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