New Mexico

…nicht zu verwechseln mit Mexico.

Beim Stop für das Beitragsbild ziehe ich Langarmshirt und Stirnband für ein paar Stunden aus – Handschuhe und Gilet bleiben den ganzen Tag an. Es ist doch März (nicht mehr lange 😉 ) und auf 5500ft.

Gestern habe ich viel zu viel Flüssiges eingekauft und so gibt es in Clayton – dem neben Texline einzigen Ort auf der Etappe – nur Mampf.

Bis nach Springer, dem Tagesziel, sind es noch 85mi. Dazwischen: nichts. Die Strasse ist abwechslungsreich, hat etwa so viel Verkehr wie der Stuart Hwy in Australien (=fast keinen) und das Beste ist das Verbot für Durchgangslastwagenverkehr.

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Auf einer Kuppe Blick zurück

Der „Store“ etwa in der Hälfte hat geschlossen – zu verkaufen. Wen wunderts?

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Auf einer anderen Kuppe Blick nach vorne. Die Berge kommen langsam in Reichweite!

Gegen Abend ist leichter Rückenwind (bisher immer noch NW-Wind) und leichter Regen vorhergesagt. Zweiteres sehe ich nicht – der Wind dreht auf den letzten 40/50 Meilen und das Velo läuft super.
Abbott ist auf meiner USA-Übersichtskarte verzeichnet. Ausser einem Schild existiert der Ort aber nicht. Daran werde ich mich auf den kommenden Etappen wohl gewöhnen müssen.
Meine Befürchtung, im Dunkeln anzukommen, weil ich mich verrechnet habe, ist völlig unbegründet. Die 148mi in netto* 8:52h sind hauptsächlich den trainierten Beinen und dem schnellen Material zu verdanken – und der über den Tag gemittelten „Windstille“.
*auf Reise interessiert doch eher „Distanz/Monat, brutto“ 😉 Wenn ich schon dabei bin… März, die Kennzahlen vom Tacho (die Einheiten kann man sich vielleicht denken?): 3094, 212:56, 79890.

„Abzocker“ schreie ich innerlich beim vom nach Cannabis stinkenden Betreiber genannten Preis von 80$ für das Motelzimmer. Neu renovier, neu möbiliert, sauber, heisses Wasser, funktionierende Heizung, Internet „bilderbackupgeeignet“ und ein paar Extras (Kaffee, Bügeleisen, und das Übliche): der Preis ist es mir natürlich wert!

Mittlerweile schneit es. Der Weg zum nächsten Restaurant ist mir somit zu weit und es gibt von der Tankstelle nebenan Fertigfood für in der Mikrowelle. 😦
Bald steht der erste 9000ft-Pass auf dem Plan – am liebsten auf der nächsten Etappe. Die Wetteraussichten für morgen sind allerdings garstig und auf der Karte jede Menge Symbole Skigebiet… Erst einmal Erholungsschlaf.

Leider kein Aprilscherz: Der Blick nach draussen nach 11h Schlaf enthüllt schneebedeckte Haus- und Autodächer, wolkenlosen Himmel und eine einigermassen trockene Strasse. Ich krieche nochmals unter die Bettdecke.

Tagesziel: Cimarron, 25mi entfernt. Am Fuss des ersten richtigen Passes. Hoffentlich komme ich im Motel unter, dann wird das nämlich ein Ruhetag.

Die Magenfüllung reicht bis Taos, wenn es sein muss und dick eingepackt mache ich mich auf den Weg.
Zuerst idyllisch entlang der Interstate, dann auf dem Hwy nach Westen. Dank beinahe Windstille ist es nicht kalt. Anhalten ohne gleich zu frieren war in den letzten Tagen selten.

Die wenigen Pedalumdrehungen gehe ich ganz locker an und geniesse die schöne Landschaft…

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...und die leere Strasse, hier parallel zur I-25 (rechts)

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Das Bild täuscht: Hier ist es gefühlt deutlich wärmer als z.B. an der OK-TX-State-Line

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Der rote Punkt (im Blog erkennbar?) passt gut zum Schnee

Im Motel in Cimarron gibts für mich nicht nur ein Zimmer, sondern auch ein herzliches Willkommen inkl. Routenaussicht – erklärt an einer 3D-Landkarte 🙂

Videotelefon 😀 🙂 . Draussen sitzend, angenehm warm.
Dort scheint die Sonne auf die Beine und schmelzt ringsum den Schnee, während diese Worte auf dem Display erscheinen.

Verspätetes Zmittag. Hauptbeschäftigung am Nachmittag: Schlafen. Wie kann man nur so viel schlafen? Die Alternative wären essen oder die Souvenirshops besuchen.
Ein Halbbad gibts auch noch. Halb deshalb, weil bei halbvoll kein warmes Wasser mehr kommt. Zum Glück war noch keine Seife im Wasser…

Znacht gibts im St. James Hotel. Von der Karte was der Chef empfiehlt. Das 12-Oz-Steak ist der Traum jedes Nicht-Vegies. So richtig schick mit offenem Kamin und nostalgischer Einrichtung darf das auch gleich viel kosten wie das Motelzimmer. 🙂
Bevor ich mich auf dem Rückweg direkt vor dem Motel an diversen Infotafeln über die Geschichte des Orts und einmal mehr den Santa Fe Trail informiere, gibts noch diese Impression, mit welcher ich den Ruhetag nun fertig beschrieben habe:

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Mitten im Dorfkern mit der Handykamera ohne Zoom geknipst. Näher als 12ft wollte ich mich dem Wildtier nicht nähern... Und der Schnee der letzten Nacht ist grösstenteils schon wieder weg.

Rockies. Berge. An ihrem östlichen Rand liegt Cimarron. Ganz ehrlich gesagt ist der Name Rocky Mountains deutlich respekteinflössender als die paar sanften Hügel, welche ich hier in Cimarron vor mir sehe und ausser dem Namen vielleicht nicht viel mit den schroffen Felsen im Norden gemeinsam zu haben scheinen…

In Taos ist ein Zimmer reserviert und so kann ich den ersten Gebirgstag ruhig angehen. Unterwegs soll es gemäss meinen Recherchen nicht an schönen Orten mangeln.
Die dünne Eisschicht auf einer Pfütze in Cimarron bringt mich nicht davon ab, mich auf den Tag zu freuen. Zu recht!

Die Fahrt durch die Cimarron Schlucht ist nicht nur im Vergleich des hinter mir liegenden Flachlands atembetaubend schön.

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Rast an einem teilweise gefrorenem See im State Park

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Rast mit Sicht auf die Schluchtwände, Palisaden genannt.

Die vielen Stops, sehr sanfte Steigung (grosses Kettenblatt bis zur letzten Meile…) und fast kein Verkehr: Hochgenuss. Dank Sonne angenehm warm.
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Aussicht auf dem ersten Pass. Über die Hochebene wirds nach dem Zmittag gehen.

Eagles Nest, neben einem Weiler einziger Ort heute, ist noch auf Wintertourismus eingestellt. Schnee liegt allerdings nicht mehr viel. Im Saloon gibts einen leckeren Burger und ein paar witzige Anekdoten mit wer sich um 1130 schon im Saloon herumtreibt.

Die Ebene – der See liegt auf über 8000ft – ist wellig. Die vielen Geräusche kommen von den ?Hörnchen?, welche nicht nur aussehen wie verkleinerte Murmeltiere, sondern sich auch so verhalten (nur flinker).

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Zum höchsten Punkt des Tages ist dann doch noch sommerliches Outfit angesagt. Windstill, Sonne, 55-60 Grad.

Dick eingepackt fährt es sich im Gegenwind gemächlich bergab dem Tagesziel, Taos, entgegen.

Unterwegs gibts neben ein paar Stops auch ein paar Meter zurück. Und zwar, weil mir eine Joggerin entgegenkommt. Mitten im Nirgendwo und mit etwas in der Hand, was weder Musik spielt, noch Wasser ist.
Sie ist Hopi(=Indianerin) und läuft während einer Woche eine Staffel mit, welche von Kalifornien bis Washington D.C. läuft. Für irgendeinen guten Zweck. Etwas früher ist mir in voller Fahrt schon ihre Ablösung aufgefallen und somit auch die für diesen guten Zweck nötige Logistik. Mir auf der Weiterfahrt ausrechnend, dass pro Tag und Läufer 5mi (Läuferin-Angabe) zurückgelegt werden, jeder Läufer während einer Woche mitläuft und die Staffel 10h/Tag (Annahme) unterwegs ist (also ca. 10 Läufer (Schätzung)) und danach an den Ausgangspunkt zurückkehrt, halte ich das Projekt für egal welchen Umweltzweck für völlig falsch dimensioniert. Egal, finden die Meisten bei mir ja auch (und wer interkontinental fliegt für eine Velotour muss auch nicht mit Umwelt kommen!). 😉

Taos. Es ist angenehm warm. Den Fast-Ruhe-Halbtag verbringe ich mit Routenplanung und Büro. Und essen.

Taos scheint „eher alternativ“ zu sein im Gegensatz zu den bisherigen Orten. Der Pueblos nachempfundene Baustil gefällt.

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Die erste Pause gibt es auf der Brücke über die Schlucht des Rio Grande. Nicht ganz so gewaltig wie die des Colorado River (dazu später hoffentlich mehr). Direkt über dem weeeeit unten fliessenden Fluss zu stehen ist schön. Daneben steht gleich das Sorgentelefon.

Kurz vor dem Start der heutigen Etappe wurde ich auf das Projekt Earthship Biotecture aufmerksam gemacht. Das ist interaktives „Mitreisen“. Die halbe Stunde bis zur Türöffnung will ich eigentlich warten, entscheide mich nach wenigen Minuten und einem irgendwie nicht zum Projekt passendem Erlebnis um.

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Tres Piedras ist ein armseliger Ort und ich bin froh, gestern nicht zum Übernachten hierher gefahren zu sein. Auf dem Foto ist prominent eine Handyantenne zu sehen...

Ein Hund hat jetzt Zahnfleischschmerzen.

Die Strasse steigt nun mehr. Durch den National Forest fährt heute fast niemand.

Bären, ja. Aber gibts hier auch Wölfe? Falls ja, habe ich einen gesehen…

Ein paar Meilen führt die GDMBR auf der gleichen Strecke. Dort, wo sich mein Pfad wieder davon trennt, mache ich Mittagsrast. Für die MTBler ist es noch etwas früh: Auf der abzweigenden Strasse liegt noch 1m Schnee.

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Mittagsrast

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Bergauf (auch wenn es hier gerade ziemlich flach ist)

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Viel mehr als die Strasse ist im Hochtal noch nicht schneefrei.

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Gipfelfoto

Der höhste Punkt der Reise liegt auf 10500ft und hat nicht einmal einen Namen (ist auch kein Pass im eigentlichen Sinn).

Dick eingepackt lasse ich die Schwerkraft diesmal für mich arbeiten. Wie schnell das Velo ungebremst wird, habe ich nicht ausprobiert (je nach Belag habe ich bei 30-45 dauergebremst – neben Redundanz die einzig sinnvolle Verwendung der Hinterradbremse…).

Vor wenigen Minuten noch im tiefen Schnee und jetzt schlürfe ich im TShirt in Tierra Amarilla ein Glacé.

Tagesziel ist der Heron State Park.
Aus den vielen Campings wähle ich denjenigen mit der besten Sicht nach Osten (warum wohl?). Das macht sonst heute niemand.

Es windet und Heringe gehen nicht überall in den festgefahrenen Boden (zwei Abspannpunkte ganz ohne Hering).

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Vordergrund: Büro und Esstisch. Bildmitte: Bett (und Fahrzeug). Hintergrund: teilgefüllter Heron Lake.

Dick eingepackt (ja nicht auskühlen, das wird kühl genug in der Nacht) gibts Znacht und diese Zeilen.

Die Sonne ist weg und ich freue mich, wieder einmal draussen zu schlafen. Das letzte Mal bei diesen Temperaturen ist wahrscheinlich über 10 Jahre her…

Der Sternenhimmel um 0315 ist gewaltig.

Der Kleiderbeutel ist so gut wie leer und mir die ganze Nacht schön warm. Das Kondenswasser im Zelt ist gefroren, das Trinkwasser nicht – irgendwo um den Gefrierpunkt wird die Nachttemperatur gewesen sein.
Zmorge im Schlafsack mit Blick in den Sonnenaufgang.

Seit den Ozarks in Missouri hat sich das Ende des hinteren Schaltzugs optisch und haptisch angekündigt. Trotz Vorsatz fahren bis zum Ende entschliesse ich mich am Morgen angesichts noch genau eines Strangs zum Tausch. Dabei zerstöre ich den Nagelklipser (wie wohl?).
2h nach Sonnenaufgang gehts also weiter. Ob der ad hoc geplante Weg asphaltiert sein wird?

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...leider nein. Ein paar hundert ft habe ich im Jicarilla-Apachen-Reservat auch durch Sand geschoben...

Irgendwo passiere ich die grosse amerikanische Wasserscheide. Wo genau und wie oft weiss ich nicht. Theoretisch geht es bis zum Pazifik nur noch bergab…

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Tatsächlich geht es häufig bergab. Wie hier, wo die Strasse "nach unten verschwindet". Da stört der Gegenwind auch weniger.

War der Beginn der Etappe mit einem Auto auf den ersten 30mi (fast) verkehrsfrei, wird dieser immer mehr. Darunter leidet nicht nur der Belag.

Irgendwann will ich nur noch ankommen.

Das Knacken bei Antrieb wurde heute deutlich stärker und ich habe den Freilauf im Verdacht. Leider haben beide Veloläden in Farmngton geschlossen. Wann wohl der Nächste kommt? Wahrscheinlich drei Etappen…

Motel. Waschen. Essen. Einkaufen (Safeway ist fast wie Coop 🙂 ).

Der Tag startet mit meilenweiter leichter Bergabfahrt. Die wenigen Gegensteigungen zählen nicht.

Während geschätzten 2mi begleite ich Lyn, welcher zur Arbeit joggt. 18mi jeden zweiten Tag. Auf dem Highway. Ein überaus interessanter Gesprächspartner: Navajo, 15 Jahre Dienst, 3x verwundet, Ex-Alkoholiker, Fitnesstrainer. Und zu guter Letzt – wir verspeisen gerade mein als zweites Frühstück eingepacktes kg Früchte – erfahre ich, dass er auch lokaler Werbeträger ist.
Den Shiprock (oder Ship Rock?) nun mit anderen Augen sehend fahre ich im gleichnamigen Ort nach Norden. Das sieht so aus:

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US 491

Der Wind bläst von Westen. Bei der Bergabfahrt hat das noch nicht gestört.

Die State Line ist mir keinen Stop wert.

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